Alleine am PC, mit Freunden an der Konsole oder mit Fremden im Netz digitale Spiele haben in der Lebenswelt der meisten Kinder und Jugendlichen einen festen Platz eingenommen. Für ein Viertel aller 6- bis 13-Jährigen gehören sie laut KIM-Studie sogar zu den liebsten Freizeitaktivitäten: 66 Prozent dieser Altersgruppe spielen mindestens einmal pro Woche, davon 22 Prozent täglich. Besonders Eltern werden vor allem, wenn sie selbst nicht spielen von dieser Faszination schnell verunsichert:
Warum spielt mein Kind die ganze Zeit und trifft sich nicht mehr mit Freunden? Wie kann ich das am besten ansprechen? Ist das nicht auch ein Thema für die Schule?
Übrigens: Nicht nur Kinder und Jugendliche spielen gerne. Der deutsche Gamer ist im Schnitt 32 Jahre alt, über fünf Millionen der über 50-jährigen Deutschen spielen regelmäßig.
Was fasziniert Kinder und Jugendliche so an Computerspielen?
Computerspiele entführen in virtuelle Welten, wie es auch Filme, Romane oder erzählte Geschichten vermögen. Einschränkungen, denen die Realität unterliegt , gibt es hier nicht . So entsteht ein schier grenzenloser Raum der Möglichkeiten, den Spielende erobern können. Für Kinder und Jugendliche kann ein besonderer Reiz darin bestehen, in Computerspielen Dinge zu tun oder zu erleben, die ihnen im realen Alltag versagt sind oder sanktioniert werden: Flugzeuge steuern und Autorennen fahren (z. B . Mario Kart oder Need for Speed), Fußball in einer Profiliga spielen (z.B. FIFA), Verbrechen begehen (z.B. Grand Theft Auto), Piercings ausprobieren, heiraten oder einfach abends am Strand mit Freunden/innen am Feuer sitzen (z.B. Die Sims oder Die Urbz). In dem geschützten virtuellen Raum der Computerspiele kann so das Erwachsenenleben ausprobiert , in andere Rollen geschlüpft und Kontakt mit anderen aufgenommen werden. Auch Jürgen Fritz, Professor für Spiel- und Interaktionspädagogik der Fachhochschule Köln, fasst seine Forschungsergebnisse in diesem Sinne zusammen: Neben der Vielzahl dieser Motivationen (wie das Erfahren von Selbstbestimmtheit , die Herausforderung im Spiel oder die Möglichkeit , sich abzureagieren) hat sich eine Motivation als die zentrale herausgestellt: der Wunsch nach Kontakt , nach Kommunikation, nach Kooperation, nach Anerkennung und Wertschätzung. Es hat den Anschein, dass sich alle anderen Motivationen diesem zentralen Motiv zuordnen.
In der Wissenschaft wird der Sog, den Computerspiele ausüben können, häufig mit dem Flow- Erlebnis begründet: Besteht die richtige Balance zwischen Herausforderung und eigenem Können, zwischen Frustration und Motivation, tauchen die Spielenden vollkommen in das Spiel ein und vergessen alles andere.
Nutzung Computer-/Konsolen-/Onlinespiele 2012
In der öffentlichen Debatte über mögliche Gefahren von Computerspielen stehen vor allem zwei Aspekte im Vordergrund: die Wirkung von Gewalt in Computerspielen und die potenzielle Suchtgefahr, die von digitalen Spielen ausgehen kann.
Gewaltdarstellungen in Computerspielen
In Computerspielen geht es nicht immer nur friedlich zu. Die Spielenden können in die Rolle von allerlei Bösewichten schlüpfen, gegen Monster kämpfen (z. B . Monster Hunter) oder sich im Zweikampf mit anderen Spielenden beweisen. Im Visier der Kritiker stehen vor allem die so genannten Ego-Shooter bei denen die Perspektive eines bewaffneten Kämpfers oder einer Kämpferin eingenommen wird (im Film RALPH REICHTS kommt Ralph bei seiner Suche nach einer Medaille auch in ein solches Spiel). Insgesamt machen Spiele, die auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes erst ab 18 Jahren freigegeben wurden dazu gehören auch Ego-Shooter nur etwa sechs Prozent der in Deutschland verkauften Spiele aus. Mehr oder weniger abstrakte oder symbolische Gewaltdarstellungen sind aber auch Bestandteil von Spielen, die ab 16 freigegeben sind, da viele Spiele-Genres Konflikt als Spielmechanik abbilden (wie z. B. Assassins Creed, Uncharted oder Doom). In Spielen, die ab 12 Jahren freigegeben sind, müssen Kämpfe und Auseinandersetzungen so inszeniert sein, dass sie auch für 12-Jährige deutlich als Fiktion erkennbar bleiben. Viele Kinder und Jugendliche schaffen es jedoch, die Altersbeschränkungen zu umgehen. So geben in der KIM-Studie 44 Prozent der befragten 6 bis 13-Jährigen an, schon einmal ein Spiel genutzt zu haben, für das sie eigentlich zu jung waren. Der öffentliche Jugendmedienschutz ist für den Handel verbindlich, doch über ältere Familienmitglieder oder Freunde gelangen Kinder und Jugendliche immer wieder an Spiele, die noch nicht für ihr Alter freigegeben sind. Hier sind Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen gefragt , auf die Einhaltung der Alterskennzeichen zu achten. In der Medienwirkungsforschung ist man sich über die Wirkung von Gewalt in Computerspielen nicht ganz einig. Studienergebnisse widersprechen sich zum Teil oder können Ursache- Wirkungsvermutungen nicht direkt bestätigen. In der vom Bundesministerium für Familie, Jugend und Sport 2010 herausgegebenen Metastudie Medien und Gewalt wird bilanziert , dass Mediengewalt einen Einfluss auf die Aggression der Rezipienten haben kann, der Effekt allerdings allenfalls als moderat einzuschätzen ist und violente Mediendarstellungen nur einen Faktor in einem komplexen Geflecht von Ursachen für die Entstehung von Gewalt darstellen. In einer zum gleichen Zeitpunkt herausgegebenen internationalen Metastudie, die unter anderem am Center for the Study of Violence an der Iowa State University angesiedelt war, kam man zu einem anderen Ergebnis: Hier ist man davon überzeugt, dass mit gewalthaltigen Computerspielen die Wahrscheinlichkeit für kurz- und langfristig erhöhtes aggressives Verhalten steigt.
Exzessives Spielen
Wenn du an einem normalen Tag spielst – wie lange ist das so in etwa? Quelle: KIM-Studie 2012 |
Wenn Du an einem normalen Tag spielst - wie lange ist das so in etwa?
Vor allem dann, wenn Computerspiele als Kompensation oder Fluchtmöglichkeit aus einer frustrierenden Realität dienen, besteht die Gefahr, dass das Spielen zur Sucht wird. In der fachmedizinischen Literatur finden sich Kriterien, die helfen sollen, eine Abhängigkeit festzustellen. Dazu gehören unter anderem ausdauernde Spielphasen über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten, das gedankliche Nicht-Loslassenkönnen des Computerspiels oder ein Vernachlässigen der Anforderungen der realen Welt wie zum Beispiel der Schule oder eine Verminderung der sozialen Kontakte. Nicht nur wegen der potenziellen Suchtgefahr, sondern auch, weil digitale Spiele selten mit körperlicher Bewegung einhergehen, haben Medienpädagogen/ innen als grobe Orientierung Richtzeiten für eine maximale Spieldauer festgelegt : Kinder im Grundschulalter sollten demnach nicht mehr als 30 Minuten pro Tag vor dem Bildschirm verbringen. Für Kinder zwischen 10 und 13 Jahren werden bis zu 60 Minuten und für ältere Kinder bis zu 90 Minuten als Obergrenze empfohlen. In der Realität scheint das ein hoher Anspruch zu sein: In der KIM-Studie 2012 geben schon 35% der zehn- bis elfjährigen Gamer an,täglich mehr als 60 Minuten zu spielen, bei den 12-13-Jährigen sind es bereits 44% (siehe Grafik). Aufgabe der Medienbildung muss es deshalb auch sein, die Fähigkeit zur Selbstregulation in Bezug auf Computerspielzeiten zu fördern.